Kreis-Oldenburger-Eisenbahn (1880-1938)

Vom Vorsitzenden des Deutschen Nautischen Vereins (Ansicht Fehmarnsund) - HP 20.11.1889

Vom Vorsitzenden des Deutschen Nautischen Vereins

erhalten wir Folgendes:

Kiel, den 14. November 1889.

Von dem Magistrat der Stadt Heiligenhafen ist mir Abschrift einer unterm 9. d. Mts. an Seine Exzellenz den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten gerichteten Eingabe, die sich gegen die geplante Herstellung einer Dammanlage durch den Fehmarnsund ausspricht, mit der Bitte zugegangen, die nautischen Vereine zu dem gleichen Vorgehen zu veranlassen. Die Eingabe hat den nachstehenden Wortlaut:

 "Seine Exzellens beehren wir uns, nachstehende Bitte zur hochgeneigten Kenntnisnahme und thunlichsten Berücksichtigung ehrerbietigst vorzutragen.

 Aller Voraussicht gemäß wird sich nach Fertigstellung des Nord-Ostsee-Kanals eine erheblich stärkere Benutzung derjenigen Wasserstraßen ergeben, die zum Kanal hinführen. Aus diesem Grunde erfüllt es in nautischen Kreisen mit Befremden, daß die Königliche Eisenbahndirektion, welche von Seiner Exzellenz mit den Vorarbeiten für eine Eisenbahn untergeordneter Bedeutung von Oldenburg über Heiligenhafen nach der Insel Fehmarn beauftragt worden, die Absicht hegen soll, den sichersten, kürzesten und bequemsten Seeweg aus der Ostsee in den Nord-Ostsee-Kanal - den Fehmarnsund - entweder durch einen festen Damm oder eine Eisenbahnbrücke gänzlich abzuschneiden bezw. zu versperren, während wir uns der zuversichtlichen Hoffnung hingegeben haben, daß die Königliche Staatsregierung diese wertvolle Fahrstraße durch, Vertiefung des Sundes auch größeren Schiffen zugänglich machen würde.

Die rege Benutzung des Fehmarnsundes, die nach Tausenden von Fahrzeugen jährlich zählt, erklärt sich durch die besondere Sicherheit bei der Durchfahrt. welche von einer guten Beleuchtung unterstützt wird. Gegen Nord- und Oststürme bietet sich hier kleineren Schiffen eine vorzügliche Schutzlage, wie solche gleich vorteihaft an der ganzen ostholsteinischen Küste, abgesehen von der Kieler Förde, nicht gegeben ist. Die Herstellung eines Dammes mit einer engen Drehbrücke würde in der Durchfahrt eine äußerst starke Strömung hervorbringen und den sicheren Aufenthalt für die Schiffe häufig ganz in Frage stellen. Für die dort liegenden Schiffe müßten infolge der starken Strömung große Kollisionsgefahren erwachsen.

Der angeblich geplante Kanal bei Großenbrode vermag keineswegs den Sund zu ersetzen, da ohne Hilfe von Schleppdampfern und Lootsen ein Ein- und Auslaufen der Segelschiffe oft nicht möglich sein und so gerade die kleinere Schifffahrt ein großer Verlust an Zeit und Geld treffen würde.

 Wenn man wohl den Hinweis zu thun wagt, daß die Schiffe ebensogut im Norden der Insel durch den Fehmarnbelt Segeln könnten, so bezeugt das eine bedauerliche Unkunde in nautischen Angelegenheiten. Wir heben demgegenüber hervor, daß an der ganzen Nordseite der langgestreckten Insel Fehmarn Sandbänke und Riffe sich befinden, aber kein einziger Hafen oder Ankerplatz vorhanden ist, während, wie schon gesagt, es im Fehmarnsund an guten, gern gesuchten Häfen und sicheren Ankerplätzen nicht fehlt.

 Ferner bleibt zu bemerken, daß nicht nur, wie die Statistik lehrt, der Weg im Norden der Insel für kleinere Schiffe weit größere Gefahren aufweist, sondern auch selbst im regelmäßigen Verkehr ungleich zeitraubender ist.

Wir sehen uns daher genötigt, gegen das gedachte Projekt der Königlichen Eisenbahndirektion gewichtige Bedenken geltend zu machen, Bedenken, welche die vermeintlichen Vorteile der äußerst kostspieligen Dammanlage für eine Eisenbahn untergeordneter Bedeutung sehr in Frage stellen dürften.

Wir hegen das Vertrauen, daß Seine Exzellenz erkennen werden, daß die Eisenbahn-Interessen im vorliegenden Falle nicht den entgegenstehenden, viel beudeutsameren Schifffahrts-Interessen vorangestellt werden dürfen.

Unsere ehrerbietige Bitte geht deshalb dahin: Seine Exzellenz wollen die Ueberdämmung des Fehmarnsundes nicht genehmigen."

 Das Begleitschreiben des Magistrats an den Deutschen Nautischen Verein lautet wie folgt:

"Dem Deutschen Nautischen Verein beehren wir uns, in der Anlage-Abschrift einer von uns an den Herrn Minister der öffnentlichen Arbeiten gerichteten Eingabe gegen die geplante Herstellung eines Dammes über den Fehmarnsund mit der ganz ergebensten Bitte zu übersenden, eine Äußerung der nautischen Einzelvereine über die diesseitige Vorstellung herbeizuführen und danach in dem gleichen Sinne sich an den Herrn Minister zu wenden. Wir glauben annehmen zu dürfen, daß es sich bei der Verhütung der gedachten Maßnahme nicht lediglich um eine lokale oder provinzielle Angelegenheit handelt, sondern daß Interessen in Frage stehen, die alle an der Küsten- und kleineren Fahrt in der Ostsee betheiligten deutschen Schifffahrtskreise berühren.

Wenn in ähnlichen Fällen die nautischen Vereine gegenüber Behörden und dergl. geschlossen vorgegangen und damit manchmal zu Gehör gelangt sind, so solle dieses auch im vorliegenden Falle geschehen, da die kleine Schifffahrt wohl verdient, daß sie durch die größere mit geschützt und gestützt wird.

Wir dürfen noch dem Wunsche Ausdruck verleihen, daß die diesbezüglichen Schritte thunlichst bald gethan werden mögen, da es nicht ausgeschlossen scheint, daß Gefahr im Verzuge ist."

(Der Vorsitzende des Nautischen Vereins bemerkt hierzu):

Ich meinerseits halte die Angelegenheit für wichtig und indem ich dieselbe hiermit den Einzel-Vereinen unterbreite, bitte ich die letzteren, kir ihre ANsichten darüber recht baldgefällig, spätestens bis zum 7. d. M., zukommen lassen zu wollen. Die Kieler Handelskammer hat sich bereits im Juni 1888 in einem der Königlichen Regierung zu Schleswig auf deren Ersuchen erstatteten Gutachten in gleicher Weise wie die Heiligenhafener Stadtvertretung ausgesprochen. Aus dem betreffenden Bericht lasse ich nachstehende Stellen folgen:

"Der Fehmarnsund bildet eine natürliche Wasserstraße. die bei dem Verkehr der ganzen kleineren Schifffahrt zwischen Westen und den östlichen Häfen, vornehmlich zwischen Belthäfen, Jütland, Schleswig und Holstein einer- und Ostholstein, Lübeck, Wismar andererseits in Betracht kommt.

Es ist keineswegs allein der kürzere Wege, der sich hier maßgebend erweist, sondern vor allem die gebotenegrößere Sicherheit in der Passage, welche die Schiffer zur Wahl des Fehmarnsundes statt des nördlich und östlich um Fehmarn herumführenden sog. Fehmarnbeltes veranlaßt. Dank einer sehr guten Beleuchtung von Flüggesand Strukkamphuk ist der Fehmarnsund leicht zu passieren. Der Fehmarnsund bleibt im Winter fahrbar, so lange nur die See eisfrei ist - ein Umstand, der namentlich wieder im letzten Winter hervorgetreten ist. Viele Küsstenfahrer suchen hier unter Nord- und Nord-Ost-Sturm schweren Gefahren aus dem Wege zu gehen, die bei Benutzung des Fehmarnbeltes sehr nahe liegen. Es kommt besonders im Herbste und im Frühjahr vor, daß die Segelschiffe und zuweilen auch Dampfer den Weg durch den Sund wählen, weil die Route durch den Fehmarnbelt thatsächlich für Fahrzeuge einer gewissen Größe nicht erreichtbar ist.

Mit der geplanten Durchdämmung des Fehmarnsundes würde eine ganz wesentliche Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse hervorgerufen werden. Die Einengung des an sich bereits jetzt zeitweilig sehr starken Stroms daselbst, obgleich die Breite etwa eine Viertelmeile ausmacht, auf eine Oeffnung im Damme, von wie vorgesehen, nur 13 m Breite, müßte ein schweres Hemmnis für die Schifffahrt hervorrufen. Eine ungemein heftige Strömung, bald von der einen, bald von der anderen Richtung kommend, würde in dieser Enge erzeugt werden, teils in Folge des Einflusses vom Winde, teils in Folge davon, daß dasa Wasser zu Burgstaaken häufig erheblich höher oder niedriger steht wie zu Heiligenhafen. Man kann annehmen, daß dieser Strom bis 8 Knoten pro Stunde, unter Umständen noch mehr Geschwindigkeit haben würde. Plötzlich umlaufende, sog. schrale Winde müßten eine bedeutende Aufstauung des Wassers bewirken und dadurch eine starke Strömung so lange erzeugen, bis ein Ausgleich des Wasserstandes wieder stattgefunden hat. Vor allem wären schwere Nchteile im Winter vorauszusetzen, wo das Eis zu beiden Seiten in den Fehmarnsund sich hineinschieben, gegen den Damm aufstauen und seinen Abfluß, wie er jetzt vorhanden ist. finden würde. Ferner drängt sich die Befürchtung auf, daß bei starkem Nord-Ost-Sturm, der in der Regel Hochwasser veranlaßt, die nach 1872 zu Westen von dem Sunde erbauten Deiche und Schutzwälle sich als zu niedrig erweisen würden, da durch die Ueberdämmung des Sundes ein Wasserkessel gebildet wird; ja, es dürfte selbst nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegen, daß nach einer solchen Verengerung des Sundes die Niederung Lütjenhof - Großenbrode durchbrechen könnte und auf diese Weise Großenbrode vom Festlande getrennt würde.

In welcher Weise sich die Einwirkung der Anlage auf die Schiffahrt, vor allem auf die kleinere, vollziehen müßte, kann nicht zweifelhaft sein. Selbst unter Anwendung von Bugsierdampfern und unter Beobachtung aller sonstigen Vorsichtsmaßnahmen würde der Verkehr zeitweilig ganz unmöglich werden. Es ist eine bekannte Thatsache, wie gefährlich die reißende Wasserbewegung in einem Engpasse gleich dem zu erbauenden zu werden vermag und zwar namentlich deshalb, weil dieselbe sich völlig unberechenbar erweist. So dürfte dann auch für die Nachzeit, wo jetzt, wie gefragt, wenigstens bei sichtigem Wetter die Passage ungehindert ist, die Schiffahrt nicht selten unterbrochen sein. Die Nachteile müßten sich für die kleinere Schiffahrt um so mehr geltend machen, als der bevorstehende Bau des Nord-Ostsee-Kanals eine stärkere Frequenz von Küstenfahrern in hiesiger Gegend zu Folge haben wird.

Unter den aus der herstellung des Dammes erwachsenden Unzuträglichkeiten würde auch noch ein anderer Umstand nicht außer Acht zu lassen sein, der allerdings nicht die Interessen der Handelsschiffahrt berührt. In Kriegszeiten werden unsere Marinefahrzeuge - spezell Torpedoschiffe - ein großes Gewicht darauf legen müssen, daß sie nicht allein den offenen Fehmarnbelt zubenutzen haben, um von dort in die Ostsee und von derselben westwärts zu gelangen, sondern daß ihnen gleichzeitig ein näherer, bequemerer, weit mehr geschützter Weg durch den Fehmarnsund offensteht, wodurch sie oft feindlichen Schiffen zuvorkommen können. Würde der Sund bis auf die gedachte schmale Dammöffnung eingeengt, so würde vielen Fahrzeugen unserer Marine die Durchfahrt erschwert, vielen unmöglich gemacht; in jedem Falle wäre eine Beeinträchtigung der jetzigen Bewegungsfreiheit unausbleiblich."

Auch in einer neuerdings von Vertretern des Westerkirchspiels *) der Insel Fehmarn dem Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten vorgelegten Petition wird der Dammanlage dringen widerraten.

 

*) Das Westerkirchspiel auf Fehmarn war ein historischer Gemeindebereich, dessen Hafenplatz Orth (früher Sülsbyohrde) war. In den Jahren 1880 - 1884 wurde hier ein neuer Hafen errichtet.

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