Kreis-Oldenburger-Eisenbahn (1880-1938)

Die Anlage einer Ostholsteinischen Küstenbahn - HP 19.7.1884

Die Kieler Handelskammer äußert sich über vorstehendes Project in folgender Weise:

In Heiligenhafen sind bereits seit Jahren Bestrebungen geltend gemacht worden, um eine Eisenbahn-Verbindung nach Süden hin zu schaffen. Namentlich ging zur Zeit der Vorbereitungen für den Bau der 1881 eröffneten Kreis Oldenburger Bahn die Erwartung dahin, daß die Verlängerung dieser Bahn auf Heiligenhafen zu in verhältnismäßig kurzer Frist folgen werde. Herr Kreis-Bauinspector Heydorn hat damals, nachdem Herr Geheimrath Buresch in den Jahren 1877 und 1878 ein Nivellement aufgenommen, die Strecke Heiligenhafen - Oldenburg vermessen. Die Kosten dieser auf 12 bis 13 Kilom. berechneten Linie werden danach auf 6 - 700,000 Mk. veranschlagt. Die bezügliche Route geht, zur Vermeidung der direct im Süden liegenden, nicht ganz unbedeutenden Bodenerhebung, westlich um die Stadt herum, berührt als erste Station das Dorf Dazendorf, durchschneidet die Chassee bei Gremersdorf, verfolgt über das Gut Bollbrügge den Weg auf Seegalendorf und über Kremsdorf auf Oldenburg zu.*) Das Terrain bietet für eine Secundärbahn wohl im Allgemeinen keine übermäßigen Schwierigkeiten; die größte derselben dürfte die Ueberschreitung der etwas sumpfigen Gegend unmittelbar vor Oldenburg mit sich führen. Bezüglich der Aufbringung der Bausumme war vorausgesetzt, daß der Staat zwei Fünftel, die Stadt 100,000 Mk. und der Rest von Seiten des Kreises resp. von Privaten beigesteuert werden solle. Gegen die der Stadt zugedachte Quote hat die Gemeindevertretung sich von jeher erklärt, da man nach der Lage der wirtschaftlichen Interessen, wie nach Lage der finanziellen Verhältnisse Heiligenhafens keinesfalls über 50 bis 60,000 Mk. hinausgehen zu dürfen glaubte. Die Stadt Heiligenhafen verspricht sich jedoch von der Anlage einer Eisenbahn wesentliche Vorteile. Sie erwartet einen erneuten Aufschwung ihrer kommerziellen Beziehungen mit Dänemark, die in neuerer Zeit aus verschiedenen Gründen immer mehr brach gelegt worden sind. Gehofft wird vor Allem auf einen bedeutenden Schweine-Transit von Norden her, nachdem die Bahnverbindung nach Syltholm (Rödby) auf Laaland fertiggestellt worden, wohin sich von Heiligenhafen per Dampfschiff in 2 1/2 Stunden Anschluß gewinnen läßt. Auch im Korngeschäft würde in Folge der Bahn neues Leben erblühen, falls nicht der Getreidezoll bestände; immerhin aber läßt auf diesem Gebiete schon die Zufuhr von Fehmarn her eine bedeutende Steigerung erwarten. Gehofft wird ferner auf eine wesentliche Förderung der Fischerei Heiligenhafens, die gegenwärtig in der Hand von 30 Fischern liegt, jedoch noch einer erheblichen Entwicklung fähig ist, sobald die Absatz-Verhältnisse im Inlande sowohl für frische, wie geräucherte Producte sich günstiger gestalten. Man meint ferner , nach Herstellung einer Eisenbahn Aussichten für die Anlage eines Bade-Etablissements zu haben, wozu die Voraussetzungen zunächst in dem schönen Strande beim Warder und der freundlichen Umgebung der Stadt gefunden werden. In einer Bahnverbindung nach Kiel erblickt die Stadt insonderheit Vortheile für die Überführung von Getreide nach Neumühlen, von Oelsaaten nach hier zc. Wie bedeutend in dieser Hinsicht der Verkehr werden könnte, beweise der Umstand, daß im Laufe des letzten Winters 30,000 Tonnen Weizen über Heiligenhafen  versandt worden sind, wovon bei dem Vorhandensein eines Schienenweges diesem ohne Zweifel ein bedeutendes Quantum zugefallen wäre. Zeigt das Vorhingesagte, daß nicht nur kaufmännische, sondern ebensowohl landwirtschaftliche Interessen aus der Verbesserung des Verkehrswesens Nutzen ziehen würden, so gilt ein Gleiches, wenn auf die Erleichterung der Zufuhr von Futter und Dungmitteln, landwirtschaftlichen Geräthen und der manscherlei sonstigen Konsum-Artikel für Stadt und Land hingewiesen wird. Je mehr dies zur Erkenntniß gelangt, um so sicherer steht zu erwarten, daß die Landwirthe in den berührten Gegenden zu erheblichen Opfern für das Zustandekommen des Unternehmens bereit sein werden. Das Oldenburger Land ist ein so reich gesegnetes, daß es für Production wie Konsumtion das allergrößte Gewicht auf günstigere Kommunikationen legen muß; dank seiner Wohlhabenheit dürfte es andererseits leicht im Stande sein, mit eigenen Mitteln das Projekt zur Ausführung zu bringen. 

*) Etwas anders verläuft die von Herrn Geheimrath Buresch vermessene Linie: dieselbe wendet sich von Oldenburg zunächst in eine faßt genau nördliche Richtung, läßt Jahnshof und Nanndorf östlich, Kröß, Altgalendorf und Wankendorf westlich, Gremersdorf und Sulsdorf östlich, Kembs und Dazendorf westlich liegen, um dann in einer großen Bogenlinie auf der nördlichen Abdachung gegen die Ostküste nach Heiligenhafen hin abzufallen. Die Kosten dieses Projects, 11,7 Kilometer umfassend, werden für eine schmalspurige Bahn auf 360,000 Mk., als Normalspurbahn ausgebaut auf 608 000 Mk. angegeben.